Zsuzsa Breier, Dr. phil.

Autorin
Europastaatssekretärin a.D.

Bildnachweis: ©UweSteinert



Wir zeigen die Gesichter des neuen Europa ... 

Peter Becker und Hermann Rudolph im Gespräch mit Zsuzsa Breier. Der Tagesspiegel, 20.4.2004  Lesen Sie hier weiter...

Europas "Osten" rückt näher:

"Zsuzsa Breier hat die Exportfähigkeit der osteuropäischen Kultur bewiesen. Wenn das "Kulturjahr der Zehn" heute mit einer Podiumsdiskussion und einem Konzert zu Ende geht, wird uns der sogenannte Osten ein Stück näher gerückt sein." ... Lesen Sie hier weiter... (Berliner Morgenpost 27.5.2005)


Das Kulturjahr der Zehn 

wie es dazu kam... 

Es war im Sommer 2003, ich lebte damals bereits seit drei Jahren als Diplomatin der Botschaft der Republik Ungarn in Berlin, als ich acht Gäste zu einem runden Tisch in meinem Garten in Charlottenburg-Westend einlud. Meine Gäste hatten nach etlichen Gesprächen mit mir eine Vorstellung davon, was mich seit langer Zeit nicht ruhen ließ: ich wollte einen Ost-West-Dialog starten. Ich wollte die "neuen" und die "alten" Europäer einander näher bringen -  genauer gesagt alte und neue EU-Mitgliederstaaten, denn "alte" Europäer waren wir neue EU-Länder ja auch. 

Kurz vor dem Beitritt der zehn neuen Ländern zu der Europäischen Union hatte ich in Berlin den Eindruck, dass uns, den Osten und den Westen, noch immer Welten voneinander trennen. Der Mauerfall lag damals schon ganze 14 Jahre zurück, der Eiserne Vorhang war längst beseitigt, aber in den Köpfen blieb noch Vieles beim Alten. 

In guten westberliner Gesellschaften, als Diplomatin hat man das angenehme Privileg, in gute Gesellschaften eingeladen zu werden, fühlte ich mich manchmal wie ein exotisches Tier, das aus einem fernen, exotischen Land kommt. "Und sagen Sie, kann man in Ungarn frei herumreisen? Und ist man dort in Sicherheit? Wird man als Tourist nicht ausgeraubt? Und kann man dort in Restaurants vernünftig essen?" - nicht einmal bekam ich diese und ähnliche Fragen gestellt, und ich erzählte dann immer geduldig, dass die kommunistische Diktatur zwar enorme Schäden verursachte, in der Politik, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft, aber unsere tausendjährige europäische Geschichte und Kultur konnte nicht zerstört werden, und die Entwicklung in den letzten vierzehn freien Jahren enorm isei, und essen konnte man in Ungarn immer sehr gut, inzwischen blüht auch die Weinkultur wieder auf, den Tokajer hat doch auch schon Goethe im Faust besungen...

Natürlich gab es auch andere gute Gesellschaften und Gesprächspartner, die Erfahrungen mit Ungarn und dem Osten Europas hatten und freundliche und kompetente Fragen stellten, und doch wurde mir immer wieder vor Augen geführt, was für ein Handicap die 40jährige Abschottung gerade für das nun wieder mögliche Miteinander bedeutete, wie viele Lücken es auf beiden Seiten gab, Informationslücken, wie viele Vorurteile, ideologische Scheuklappen, verzerrte Wahrnehmungen. 

In den Gesprächen mit meinen osteuropäischen Kollegen wurde mir klar, dass all das mich als Ungarin eigentlich noch sanft trifft, der Sissi-Film hat daran wahrscheinlich einen großen Anteil, kein anderes Attribut hörte ich in Berlin häufiger wie  "charmant", bezogen auf Ungarn, Ungarinnen wahrscheinlich vor allem, die Berichte der polnischen, tschechischen, slowakischen, slowenischen, estnischen, lettischen, litauischen, maltesischen und zypriotischen Kollegen angesichts der stockenden Kommunikation ließen meine Idee, etwas für ein aktiveres Miteinander, für mehr Kenntnisse und Begegnungen, für mehr Austausch und Respekt zu tun, reifen. Meine osteuropäischen Kulturdiplomatne-Kollegen und alle zehn Botschafter unterstützen ohne lange nachzudenken meine Idee, gemeinsam etwas für die Überwindung der 40 Jahre langen Trennung der Europäer zu tun. 

Die Idee des Kulturjahr der Zehn war geboren. 

Mit den zehn Ländern bildeten wir eine Arbeitsgruppe, setzten unsere Köpfe zusammen, überlegten uns Themen, Fragen, Format und Partner, fanden in jedem Land Länderkuratoren, die uns in den einzelnen Kunstbereichen unterstützten, und gewannen die Unterstützung aller zehn Außenminister unserer Länder, niemand, kein einziges Land ließ sich lange bitten. Wir waren voll mit Ideen, ich setzte mich an ein Konzept und versuchte in Berlin Partner für unser Vorhaben zu gewinnen. 

So kam es, dass wir u.a. mit Monika Grütters, Dieter Sauberzweig, Regine Lorenz, Manfred Eichel, Ulf Göbel, Sascha Götz  und Thomas Ilka bei uns im Garten saßen und eine Gesellschaft für die Unterstützung dieses Vorhabens gründeten, ich lernte in Deutschland schnell, wenn man etwas vorhat, gründet man einen Verein. Gedacht, getan, nachdem die erste erfolgreiche Hürde die feste Zusage aller zehn Länder stand, nahem wir also auch die zweite Hürde, nun stand auch der Verwaltungsrahmen, es konnte losgehen mit dem Geldeinwürfen für unser Vorhaben. 

Ich zappelte von Sommer bis Herbst und vom Herbst bis Winter, klopfte alle möglichen Berliner Unternehmen, Stiftungen und Kulturinstitutionen ab, präsentierte unser Vorhaben, diskutierte, stritt und überzeugt - oder auch nicht -, das Programm des Kulturjahres wurde immer besser, im regen Austausch mit allen zehn Ländern entstanden wunderbare Ideen, ich lernte eine Menge und hatte aus allen zehn Ländern schon Künstler, Filmemacher, Literaten, Musiker, Zeitzeugen, Historiker, DJ-s, Popgruppen, Chöre, Volkstanzgruppen und Kuratoren, die mitmachen wollten, auch in Berlin klopfte ich die Bereitschaft etlicher Kulturinstitutionen erfolgreich ab und konnte die Komische Oper, die Staatsoper, die Berliner Philharmonie, den Martin Gropius Bau, den Neuen Berliner Kunstverein, das Deutsche Historische Museum, das Auswärtige Amt, die Allianz Kulturstiftung, die Berlinale, die politischen Stiftungen, die Robert Bosch Stiftung, das Berliner Märchenland, das DDAD Künstlerprogramm, die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, die Schering Stiftung die Akademie der Künste, das Art Forum, die Bundeszentrale für Politische Bildung und der Landesverband Berliner Galerien davon  überzeugen, dass wir unbedingt gemeinsam etwas tun müssen, um Ost und West einander näherzubringen ... 

Und doch musste ich kurz vor Weihnachten 2003, kurz bevor das Jahr des EU-Beitritts 2004 anklopfte, ein großes Fest für uns Osteuropäer, fast alles begraben, was bislang entstand, ein finanzkräftiger, seriöser, großer Partner, der diesen Dialog von deutscher Seite finanziell verantworten wollte, war noch nicht gewonnen - viel Versprechen, gute Aussichten, aber keiner verbindliche Zusagen. Der Beitritt stand am 1. Mai 2004 an, ich verzweifelte - wie soll das alles noch bis Mai gelingen? 

Die überarbeiteten Monate, neben meiner eigentlichen Arbeit an der Botschaft - und die war auch kein Spaziergang - war ich jeden Tag in zweiter Schicht mit meinem Kulturjahr befasst, hinzu kam die Enttäuschung, und die taten zusammen das Ihre: mich erwischte ein Hexenschuss ein erstes Mal in meinem Leben, so heftig, wie ich an meinem Kulturjahr arbeitete, ich konnte über die Feiertage nur noch liegen, rührte ich meinen kleinen Finger, schmerzte schon der Rücken dass ich schreien musste - ein Glück, dass ich fünf Kinder habe, die kümmerten sich liebevoll um Mama, die sonst kaum zu Hause war...

Und dann, ich wollte nur noch die Schmerzen loswerden und schwor, nie im Leben nochmals so viel Energie in irgend etwas zu stecken, klingelte plötzlich mein Telefon, zwischen den Feiertagen, sehr ungewöhnlich. An der Leitung war Knut Nevermann, der Staatssekretär der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Christina Weiss, die ich bereits als Schirmherrin gewinnen konnte, wie übrigens auch den Bundesaußenminister Joschka Fischer und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, alle drei bombardierte ich natürlich auch regelmäßig mit meinem großartigen Plan und den im Vergleich zu dem Umfang doch sehr bescheidenen Kosten, offenbar brach plötzlich das Eis, Christina Weiss sagte zu, die Hälfte des Budgets zu tragen, ich musste nur noch die andere Hälfte besorgen, und das ging dann irgendwie auch, die zehn Länder übernahmen viel, und die meisten deutschen Partner beteiligten sich am Ende auch mit kleineren und größeren Beträgen für die Projekte, die wir gemeinsam veranstalteten. 

Ich wurde ganz schnell wieder gesund, und das Jahr konnte beginnen. 

Was daraus geworden ist, lesen Sie hier

 

 

 

 

 

  • Alojz Peterle mit Hermann Rudolph im Gesprach
  • Kulturdiplomaten Solvita Martinsone Lettland, Rasa Balcikonyte Litauen, Reet Wiedebaum Estland - das Team hinter dem Kulturjahr des Zehn
  • Blanka Mouralova, Leiterin des Tschechischen Zentrums in Berlin und Kornelia Klenner, Kulturattache Malta tanzen am Eroffnungsfest des Kulturjahr der Zehn
  • Our People, SK
  • straßenfest, estnischer Chor